Grundsteinlegung zum Ausbildungszentrum für jugendliche Mädchen
Am 17. Mai 2024 legten ECLAT und upendo den Grundstein für unser neuestes Projektvorhaben: Ein handwerkliches Ausbildungszentrum für jugendliche Mädchen, die sich im Schulsystem Tansanias nicht zur Weiterbildung qualifizieren – als Alternative zur Zwangsheirat.
Schulische Situation
In den vergangenen 10 Jahren konnten wir dank der finanziellen Unterstützung verschiedener Stiftungen fast 50 Primarschulen in Tansania bauen, erweitern oder renovieren. Die Zahl der Kinder, die im Simanjiro-Distrikt nun tatsächlich zur Schule gehen, ist erkennbar gestiegen: Während noch vor wenigen Jahren mehr als 70 % der schulpflichtigen Kinder nicht zur Schule gingen, waren es bei der Volkszählung 2022 nur noch 28 %. Die Situation in den benachbarten und genauso rückständigen Distrikten, in denen wir ebenfalls tätig sind, ist ähnlich. Bei jedem unserer zahlreichen Schulbesuche können wir diese ermutigende Entwicklung beobachten: Die Zahl der Kinder in einem Klassenraum übersteigt in der Regel die von der Regierung vorgesehene Zahl von 45. Oft werden mehr als 100 Kinder gemeinsam in einem Klassenraum unterrichtet – mit entsprechendem schulischem Erfolg. Die Regierung schickt zwar mehr Lehrer als früher (und hat uns versprochen, weitere in unser Einzugsgebiet zu schicken), aber angesichts des Bevölkerungswachstums und der hohen Analphabetenrate werden noch mehr Schulen und Lehrer benötigt. Vor allem aber muss der Bevölkerung weiterhin der Wert von Bildung vermittelt werden, damit die Eltern ihre Kinder auch tatsächlich in die Schule schicken. In dieser Hinsicht haben wir schon viel erreicht, aber es bleibt noch viel zu tun.
Abschlussprüfungen
Leider bedeutet die hohe Zahl der Kinder in der Schule auch, dass viele von ihnen, sowohl Jungen als auch Mädchen, die Zwischen- und Abschlussprüfungen nicht bestehen. Sie qualifizieren sich nicht für die weitere Schulbildung und kehren mangels Alternativen wieder in ihr altes Umfeld zurück. Auch wenn sie in der Schule sicherlich viel gelernt haben und dafür sorgen, dass später einmal ihre eigenen Kinder in der Schule besser gefördert werden als sie selbst, übernehmen viele die traditionellen Rollen ihrer Kultur. Für die Mädchen bedeutet dies, dass sie bereits als Teenager gemäß der Massai-Tradition zwangsverheiratet werden und Kinder bekommen.
Das neue Ausbildungszentrum
Dank der Finanzierung durch das BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und eine Stiftung konnte ECLAT im Mai dieses Jahres mit dem Bau eines neuen Ausbildungszentrums für jugendliche Mädchen beginnen. Ziel ist es, den Schulabbrecherinnen eine Berufsausbildung als Alternative zur Zwangsheirat anzubieten. Das Projekt wurde im vergangenen Jahr in einem Workshop, an dem auch die Mädchen aus dem provisorischen Kurs teilnahmen, intensiv vorbereitet und im Detail geplant. Die Mädchen halfen uns, ihre Situation als junge Massai-Frauen besser zu verstehen. Sie sprachen über ihre Ängste, Hoffnungen und Erwartungen. Es war bewegend zu erleben, wie offen sie mit uns über sich und ihre Situation sprachen.
Wir freuen uns, dass das Zentrum nun als Ergebnis dieses Workshops gebaut werden kann, mit einem Dormitorium, Klassenräumen, Kantine mit Küche, Toiletten und Waschräumen, zwei Werkstätten und Wohnhäusern für die Lehrer. Die Familie Toima und Philomena Kiroya hat ein großes Stück ihres Lands für diesen Zweck übereignet, so dass genug Platz auch für sportliche Aktivitäten bleibt. Das Gelände wird eingezäunt, um es vor wilden Tieren und unerwünschten Gästen zu schützen. Frisches Grundwasser wird in Wassertanks auf dem Gelände gespeichert und verteilt, und alle Gebäude werden an das inzwischen verfügbare öffentliche Stromnetz angeschlossen.
Nach intensiven Überlegungen und Beratungen, auch mit den betroffenen Mädchen, werden zweijährige Kurse in den Bereichen Food and beverage production („Nahrungsmittelzubereitung“) und Design clothing and tailoring („Schneidern“) angeboten. Jährlich sollen 22 Mädchen, die aus dem Schulsystem Tansanias ohne Abschluss ausscheiden, ihre Ausbildung beginnen. Neben der fachlichen Ausbildung bietet ECLAT ihnen auch Unterricht zu allgemeinen Themen wie Hygiene, Familienplanung oder wirtschaftlichem Handeln an. Auch Englisch und Computerkenntnisse stehen auf dem Stundenplan. Nach bestandener Abschlussprüfung erhalten sie ein in Tansania offiziell anerkanntes Zertifikat und eine Erstausstattung, die ihnen helfen soll, sich selbständig machen zu können.
Der Ausbildungskurs für die ersten Mädchen wird im neuen Zentrum Anfang des kommenden Jahres beginnen: Wir sind gespannt, wie dieses neue Projekt dazu beitragen wird, die Stellung der Frauen in der Massai-Kultur langfristig zu stärken.
Jugendliche Mädchen suchen Alternativen
Viele von ihnen haben ihren Horizont durch die Schulbildung bereits erweitern können, auch wenn sie nicht zu den besten Schülern gehörten und ihre Schullaufbahn vorzeitig beenden mussten. Sie suchen nach Alternativen zur Zwangsheirat; das Konfliktpotential mit ihren traditionell geprägten Eltern ist groß, Aber spätestens, wenn sie selber Kinder haben, können sie sich ihrer traditionellen Rolle nicht mehr entziehen. Für sie haben upendo und ECLAT Anfang 2023 ein Pilotprojekt gestartet: Jugendliche Mädchen, die die Schule abgebrochen haben, können in einem zweijährigen Kurs einen einfachen Handwerksberuf erlernen. Noch ist der Kurs provisorisch im Frauenzentrum von ECLAT untergebracht, wo die Mädchen auch wohnen und schlafen. Da die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen die vorhandenen Räumlichkeiten deutlich übersteigt, wurden auch einige Mädchen aus der Umgebung als Tagesschülerinnen aufgenommen. Die Mädchen sind begeistert dabei und viele möchten am liebsten nach den zwei Ausbildungsjahren Ende 2024 weiterlernen.
Fotos: Rüdiger Fessel
Layout: Heike Ponge