Schwerpunkt dieses Informationsbriefes ist die Frauenarbeit unserer Partnerorganisation ECLAT: eine Arbeit, die nur von einer Massai-Frau, die in dieser Kultur aufgewachsen ist und der die Frauen vertrauen, durchgeführt werden kann.
Kultureller Hintergrund
Frauen haben in der Kultur der Massai eine für Europäer nur schwer nachvollziehbare Stellung. Traditionell werden Mädchen noch im Teenageralter beschnitten und zwangsverheiratet. Frauen wird kein eigener Besitz zugestanden und sie sind wirtschaftlich und in allen Fragen ihres Lebens von ihren Männern abhängig – Männern, die meist mit mehreren Frauen verheiratet sind. Ihre Aufgabe ist es, viele Kinder zu bekommen, diese zu versorgen und großzuziehen. In Zeiten hoher Kindersterblichkeit war dies ein Modell, das den Massai erlaubte, mit ihren Familien und mit ihren Kühen unter den Bedingungen der Steppe Ostafrikas zu existieren. Heute aber überleben dank der Impfprogramme die meisten Kinder. In Folge dessen steigt die Bevölkerungszahl dramatisch an: Die Massai-Bevölkerung verdoppelt sich heute in weniger als 18 Jahren. Nur jeder Vierte kann lesen und schreiben, noch lange nicht alle Kinder gehen zur Schule (wir schätzen nur 3 von 4), die Zahl der Schulabbrecher ist hoch, vor allem bei den Mädchen, und die Schulen zeichnen sich durch überfüllte Klassenräume, schlechte Schulinfrastruktur und zu wenige, oft wenig motivierte Lehrer aus. Aber nach und nach erreichen die Bildungsangebote immer mehr Massai. Die Zahl der Kinder, die in den letzten Jahren von ihren Eltern als Schulanfänger angemeldet wurden, macht Hoffnung: Sie steigt deutlich an, auch bei den Mädchen. Bildung wird zunehmend als Zukunftsinvestition für die Kinder gesehen, die später auch den Eltern und der Gemeinschaft zugutekommt.
Frauenarbeit von ECLAT
Philomena Kiroya, Leiterin der Frauenarbeit unserer Partnerorganisation ECLAT und selber eine gebildete Massai, hat sich zur Aufgabe gesetzt, die Stellung der Frauen in ihrer Gesellschaft zu verbessern. Sie lebt in ihrem Heimatdorf und hat von dort aus zunächst dafür gesorgt, dass sich Frauen offiziell in Gruppen zusammentun, miteinander reden und gemeinsam versuchen, sich etwas Geld zu erwirtschaften. Für Massai-Frauen, die normalerweise ihr Gehöft („Boma“) nur zu besonderen Anlässen verlassen dürfen und deren Besitz ihren Männern gehört, sind das revolutionäre Veränderungen. Innerhalb nur weniger Jahre sind diese Treffen für die Frauen zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Sie sind deutlich erkennbar selbstbewusster und unabhängiger geworden. Und – was mindestens genauso wichtig ist: Die Männer akzeptieren diese Entwicklung. Daran hat Toima Kiroya, Philomenas Mann und Leiter von ECLAT, erheblichen Anteil.
Frauengruppe
In den letzten Jahren haben sich im Distrikt weit über 100 Frauengruppen von je 30 Frauen zusammengetan. ECLAT kann unmöglich alle diese Gruppen betreuen und hat sich auf 75 offizielle ECLAT-Frauengruppen beschränkt. Bei ihren regelmäßigen Treffen reden die Frauen einer Gruppe miteinander über das, was sie beschäftigt. Philomena und/oder ihre Tochter Nosim nehmen hin und wieder an ihren Treffen zumeist unter einem großen Baum im Dorf teil. Wir hoffen, dass alle diese Gruppen Ende dieses Jahres ein kleines Startkapital von upendo erhalten haben werden. Die Frauen entscheiden, in welcher Form sie mit dem Geld wirtschaften wollen. Ihre Geschäftstätigkeiten sind sehr unterschiedlich: der Betrieb einer Maismühle, die Herstellung von Ziegelsteinen, die Herstellung und der Vertrieb von flüssiger Seife, Näharbeiten, die Zucht von Rindern u.v.m. Manche Gruppen sind sehr erfolgreich, andere weniger. Der Mikrokredit wird über ein paar Jahre langsam an ECLAT zurückgezahlt und kommt dann einer anderen Frauengruppe zugute. Über die Verwendung des Gewinns entscheiden die Frauen in ihrer Gruppe. Ein Teil steht den Frauen der Gruppe zur Verfügung; diesen können sie ihren Kindern und Familien zugutekommen lassen.
Seminarzentrum
Das im Oktober eröffnete Seminarzentrum für die Frauenarbeit von ECLAT ist ein weiterer großer Schritt: Während die Frauen sich sonst für ein paar Stunden irgendwo im Dorf trafen, kommt hier nun eine Gruppe für eine Woche zusammen und wird von zwei Lehrerinnen unterrichtet. Die meisten der Frauen haben nie auf einer Schulbank gesessen; für sie ist das alles fremd. Hier lernen sie etwas über Hygiene und Gesundheit, den Umgang mit Geld, Erziehung und neuerdings auch über Familienplanung. Die Frauen haben begriffen, dass sie ihre vielen Kinder nur mit Not über die Runden bringen können, und viele von ihnen fragen inzwischen nach Hilfe, um die Zahl ihrer Kinder zu begrenzen. Denn die Volksgruppe der Massai ist zurzeit durch Rückständigkeit, Analphabetentum und Populationswachstum in ihrer Existenz bedroht: die Steppe ist durch ihre Rinder, Ziegen und Schafe überweidet, die Tiere aber bilden ihre Lebensgrundlage.Die Uhuru-Fackel (Uhuru Torch)
Die Uhuru („Freiheit“)-Fackel ist ein wichtiges Symbol Tansanias. Seit der Unabhängigkeit wird die Uhuru-Fackel jährlich in einem Lauf durch das Land getragen. Sie leuchtete 1961 zum ersten Mal auf dem Gipfel des Kilimandscharo und ist bis heute von großer Bedeutung für die Einheit des Landes. Traditionell wird die Fackel von Ort zu Ort getragen, und überall, wo es etwas Besonderes zu würdigen gibt, wird Halt eingelegt. So kam der diesjährige Uhuru Torch Race am 16. Juni 2018 auch zur Primarschule in Luagala (Mtwara Region), die gerade von uns renoviert und ausgebaut wurde – eine Anerkennung und sicherlich auch ein stückweit Dank an die Geldgeber.Fotos: (1) Rüdiger Fessel (2014), (2) Fred Heimbach (Mai 2018), (3) ECLAT (Juni 2018)